Veranstaltung

Lesung 33. Internationale Schopfheimer Mund-Art Literatur-Werkstatt

Markus Manfred Jung (c) M. Jung
Sa., 1. April 2023
20:00 Uhr
Das Datum dieser Veranstaltung liegt in der Vergangenheit

mit öffentlichen Veranstaltungen in Weil, Schopfheim und Basel
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Beschreibung

In diesem Jahr feiert die „Internationale Schopfheimer Mund-Art Literatur-Werkstatt“ schon ihre 33. Auflage, und zwar vom 31.03.-02.04.2023. Erste öffentliche Lesung ist schon traditionell am Freitag, dem 31.03., 20h00, im Stapflehus in Altweil. Nach der Werkstattarbeit in der Stadtbibliothek Schopfheim am Samstag zum Thema Im freien Flug und dem Empfang im Rathaus findet abends um 20h00 der Auftritt in Sankt Agathen, Schopfheim-Fahrnau statt. Ebenso treten die Autorinnen und Autoren wieder am Sonntag, 11h00, in der Bibliothek der „Allgemeinen Lesegesellschaft Basel“, direkt neben dem Münster, auf. Es wird eine äußerst spannende Mischung von Dialekten zu hören sein, wenn zum Beispiel der Schweizer Liedermacher Nick Spalinger mit seinem urwüchsigen Alemannisch auf die junge Schwäbin Nicole Krieg trifft, oder die Tiroler Österreicherin Ingeborg Schmid-Mummert auf den Rheinfranken Günter Leitzgen, der inzwischen in Bayern lebt, woher der fünfte „Zugreiste“ Anton G. Leitner stammt.

Nicole Krieg ist am  08.07.1972 in Mutlangen auf die Welt gekommen und in Schwäbisch Gmünd aufgewachsen. Sie absolvierte von 1992-1997 ein Studium (Anglistik und Romanistik) in Tübingen, Lyon und Nancy (Lettres Modernes). Bald danach wurden ihr ihre Kinder Pablo (1997) und Natalia (1999) geboren. Sie ist vielseitig tätig als Datenanalystin bei Creditreform und als Sprachlehrerin für Englisch, Französisch, Deutsch als Fremdsprache und Spanisch. Dazu unterrichtet sie als Gesangsbildnerin und Klavierlehrerin. Von 2012-2015 war sie Chorleiterin des französischen Chors Cantanous Reutlingen. In ihrer schriftstellerischen Tätigkeit hat sie seit 1998 ca. 20 Kurzgeschichten und 3 Romane geschrieben. Zuletzt erschienen der Roman Rendezvous im Stocherkahn beim Silberburg Verlag Tübingen, 2013, der im SWR auch als Hörspiel lief, und  Dr Grenzpfoschda in der Anthologie „Ens Blau nai gschrieba“,  2019. Sie erhielt schon einige Auszeichnungen, u.a. bei der Neuen Gesellschaft für Literatur, Berlin und beim Hörverlag- Kurzgeschichtenwettbewerb in Baden-Württemberg.

Nicole Krieg (c) N. Krieg

Textauszug aus „Rendezvous im Stocherkahn“:

Gemeinsam rieben Rainer und Wolfgang mit alten Lappen, die sie immer wieder in einen Putzeimer eintunkten, an dem Motorrad herum. Schon als sie auf die Reinigungsutensilien gewartet hatten, war ein Knirps auf einem Fahrrad vorbeigekommen, hatte kurz angehalten und neugierig geguckt und war dann wieder davon gefahren. Nun kam er zurück mit einer Bande von mindestens zehn Kindern im Schlepptau, alle auf Fahrrädern oder Tretrollern. Sie umringten Rainer, Wolfgang und das Motorrad wie die Geier das sterbende Gnu.

"Was mached ihr do?" fragte der Anführer.

"Isch des a Modorrad oder a Mopped?" traute sich der Nächste.

"Dirfet mir au mol mitfahra?" erdreistete sich der Dritte.

"Kennst du diese Dreikäsehochs?" fragte Rainer in Richtung Wolfgang. Er konnte mit Kindern nicht sonderlich viel anfangen und fühlte sich bedrängt.

"Nö", sagte Wolfgang, begann dann jedoch einen schulmeisterlichen Vortrag über den Unterschied zwischen Motorrad und Moped.

Kein Wunder, dass er Lehrer werden will, dachte Rainer, da kann er immer schön klugscheißen.

"Könnt ihr mal'n bisschen Platz machen", maulte er, "hier kann man sich ja nicht bewegen. Die Kinder wichen murrend ein paar Zentimeter zurück und einer flüsterte dem anderen zu: "Der Große isch nett aber der Kloine isch bleed."

"Das hab' ich gehört!" rief Rainer.

Mittlerweile hatte sich das Zuschauerfeld vergrößert. Spaziergänger in Kniebundhosen, Wanderstiefeln und Spazierstöcken blieben stehen und glotzten. Ein älterer Herr mit einem olivgrünen Hütchen auf dem Kopf rief: "Ja Wolfi, bisch du au mol wieder do! Du bisch aber grauß worra! Wa machsch'n du do?"

Anton Leitner (c) Jörg Reuther

Anton G. Leitner, geboren 1961 in München, ist examinierter Jurist. Er lebt als Schriftsteller, Herausgeber und Verleger in Weßling bei Starnberg. Er dichtete über drei Jahrzehnte lang ausschließlich auf Hochdeutsch, seit zehn Jahren schreibt er auch auf Bairisch, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Unter den bislang fünfzehn eigenen Gedichtsammlungen sind auch die Mundartbände Wadlbeissn. Zupackende Verse und Schnablgwax. Bairisches Verskabarett, beide zweisprachig auf Bairisch und Hochdeutsch. Die darin publizierten Versgeschichten reichen ins Kabarettistische und erzählen vom ganz alltäglichen Wahnsinn im weiß-blauen Freistaat. Mit seinen zornigen und mitunter deftig-erotisch aufgeladenen Texten knüpft Leitner an das Kraftbayrisch von Poesie-Urgestein Georg Queri an und transformiert es in ein Bairisch für das 21. Jahrhundert. Im Dezember 2022 wurde er in das neue True-Rhyme-Quartett der Münchner Lach-und-Schießgesellschaft aufgenommen.

Leitner gehört zu den wichtigsten Vermittlern von zeitgenössischer Poesie im deutschen Sprachraum, u.a. ist er Herausgeber der buchstarken Jahresschrift Das Gedicht. . Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem »Bayerischen Poetentaler«, dem »Tassilo-Preis« der Süddeutschen Zeitung und jüngst mit dem »Deutschen Verlagspreis« sowie der »Verlagsprämie des Freistaats Bayern». Er ist Mitglied der »Münchner Turmschreiber«, der »Valentin-Karlstadt-Gesellschaft« und Gründungsmitglied des »PEN Berlin«. AntonLeitner.de,  dasgedicht.de, schnablgwax.de, wadlbeissn.de

A sauwane Sach

Schbugg da
A bor Moi
In d’ Hend
Und schlog
Danoch ei
Bei oam,
Dea di
Üwan Diesch
Ziang wui.

Hygienekonzept

Spuck dir
Mehrfach
In die Hände
Und schlag
Danach ein
Bei einem,
Der dich
Über den Tisch
Ziehen will.

Günter Leitzgen (c) G. Leitzgen

Günter Leitzgen ist gebürtiger Neumagen-Dhroner, also an der Mosel aufgewachsen, lebt aber heute in Erlangen, im Frankenland. Sein erster Gedichtband war auch für ihn, den zweitjüngsten von sechs Brüdern, eine Überraschung. Nicht er sei auf diese Idee gekommen, „die Idee ist auf mich gekommen“, sagt der 82-Jährige heute. Nach einem Besuch in der Stadt seiner Kindheit, Neumagen, wo er sich für die Aufarbeitung jüdischer Geschichte engagiert, ging im Gehörtes auf der „Heimfahrt“ nach Erlangen nicht mehr aus dem Kopf. Dort angekommen schrieb er bereits am nächsten Morgen das erste Gedicht, Ennei Wurd, Ein neues Wort. Drei Tage später war der Band komplett. Günter Leitzgen war Gymnasiallehrer für Deutsch und Französisch und Lektor an einer Universität in Frankreich. Er hat ein Französisch-Lehrwerk (Horizons) mitentwickelt. Er organisiert in Erlangen die Reihe „Musik und Literatur“ . Einige Jahre hat er in einer Performance-Gruppe Hörkunstprogramme mitentwickelt und aufgeführt. 2008 stellte er eine Ausstellung zusammen über eine deutsche Widerstandsgruppe in der französischen Résistance in den Cevennen, die immer noch in Deutschland und Frankreich präsentiert wird.

DouKanzawwer nach goutPlatt                                 Du kannst aber noch gut Platt

WieLaang besteDannewEilen schofOrt                    Wie lange bist du denn schon fort

OdatEssjoMee wieLaang                                          O das ist ja mehr als lang

Awwer Wennzde daHämbess                                   Aber wenn du daheim bist

Reedste jokähoch Deutsch                                       Redest du ja kein Hochdeutsch

Da reedste jo neĩ Morener                                         Da redest du ja Neumagenerisch

Oderkannztetnimmi?                                                  Oder kannst du das nicht mehr?

Ingeborg Schmid-Mummert (c) I. Schmid-Mummert

Ingeborg Schmid-Mummert, 1973 in Innsbruck geboren, ist am Mieminger Plateau aufgewachsen und später zurück zu den Ötztaler Wurzeln gezogen. Sie ist promovierte Ethnologin und Romanistin mit Schwerpunkt auf der italienischen Sprache. Wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen vor allem aus den Themenbereichen Mensch–Natur–Kultur haben sie bekannt gemacht. Sie hat zahlreiche Museums-, Ausstellungs- und Vermittlungsprojekte verantwortet und ist seit 2018 Leiterin des Holzknechtmuseums Ruhpolding. Hervorgetreten ist sie mit Lyrik in Mundart und Schriftsprache, Kurzgeschichten und sonstigen Schreibexperimenten, die das Leben verdichten. Sie ist in der Anthologie Eppes tuet sig, heraugegeben von Annemarie Regensburger, mit 53 Mundart-Gedichten vertreten.

Gleich                                                                                                                        Gleich

wenn is Iatz
wenn das Jetzt                                                                      

Glonget                                                                                                                        genügt

geit is Davoar                                                                                                 
gibt das Vorher

an Sinn                                                                                                                   einen Sinn

und is Danoch                                                                                             
und das Nachher

aRuah                                                                                                                        Frieden

ha scheas Galt gekoschtet                                                     
hat ein schönes Geld gekostet

hot a scheas Galt gekoschtet                                                
hat ein schönes Geld gekostet

dia schiahe Gschicht                                                                   
diese hässliche Geschichte

und olles sauber gewascht                                                      
und alles sauber gewaschen

mit an dreckign Hondl                                                               
mit einem dreckigen Handel

Nick Spalinger (c) N. Spalinger

Nick Spalinger  aus Obfelden im Kanton Zürich ist aufgewachsen in Bremgarten im Aargau. Er singt seine Mundarttexte und formt sie, begleitet mit Gitarre und Mundharmonika, zu unverwechselbaren und eingängigen Liedern. Das aufmerksame Publikum lässt er oft im Dunkeln tappen, bevor es sich dann irgendwo zwischen den Zeilen wiederfindet. „Wenn der Streithahn mit der Schnapsdrossel nicht gut kann, der Buntspecht einen rabenschwarzen Abend hat, die Lerche auf die Meise pfeift und der Geier zum Kuckuck nochmal von nichts eine Ahnung hat, steckt Nick Spalinger hinter diesem Chaos in der Vogelwelt“. Gleich viermal in Folge hat er es ins Finale des renommierten Mundart-Liedermacherfestival „Troubadix“ geschafft und erreichte auf Youtube für einen Beitrag auch schon über 11‘500 „Klicks“. Seine Sprachakrobatik berührt.

Zu den emotionalen Höhepunkten gehört ein Heiratsantrag auf der Bühne, der Tränen auslöst. Die neueste Platte/CD des Singdichters und Mundarttüftlers heißt wänni cha cho chumi.  nickspalinger.ch

soldate us plastik de chrieg isch verbi und im garte hind’ liget überall no lyche  umenand zwüsched gmües und blueme sind soldate us plastik verschtreut sie händ vergäbe uf em schlachtfäld kämpft s isch niemer ume , wo sie zäme nimmt  aber plastiksoldate sind doch au tot für de nächscht isatz wieder bereit

was sich bewährt wird schnäll überholt und d verlockig am märt isch riesegross bim chlinschte azeiche vo me ne konflikt fahred s uf mit no gröberem gschütz de chrieg isch verbi und im garte hind’ liget überall no lyche umenand soldate us plastik vergässe im dräck und ich lueg zue wie langsam s gras drüber wachst

Markus Manfred Jung (c) M. Jung

Markus Manfred Jung, geboren 1954 in Zell im Wiesental, aufgewachsen in Lörrach, studierte Germanistik, Skandinavistik, Philosophie und Sport in Freiburg/Breisgau und Oslo/Norwegen. Er schreibt Prosa, Lyrik, Theaterstücke und Hörspiele in Hochdeutsch und alemannischer Mundart. Er war Lehrer am Theodor-Heuss-Gymnasium in Schopfheim, ist Schriftsteller und lebt mit der Malerin Bettina Bohn in Hohenegg, Kleines Wiesental. Mit ihr zusammen gab er den Bild-Gedichtband Schluchten von Licht heraus. Zuletzt erschienen Ankommen in Laufenburg, Texte, die er als 1. Burgschreiber zu Laufenburg geschrieben hat,  der vierte Glossenband wenn i e rebschtock wär , der zweisprachige „hybride“ Prosaband Nebelgischt – Vom Aufbrechen und Ankommen und der Erzälband Vom Glück des Findens – 33 Pilzgeschichten. Er begründete 1989 mit Thomas Burth die „Internationale Schopfheimer Mund-Art Literatur-Werkstatt“, die er zusammen mit Volker Habermaier leitet. Im vergangenen Jahr erhielt er den Gerlinger Lyrikpreis. www.markusmanfredjung.de

mänkmool znacht amig wenn i nit schloofe cha tripplet s vorbei des lebe churz uf müüslifüeß

Volker Habermaier (c) V. Habermaier

Volker Habermaier, Oberstudiendirektor und Schulleiter des Georg-Büchner-Gymnasiums in Rheinfelden, Präsident des „Hebelbund Lörrach“, ist seit achtzehn Jahren Moderator der Literatur-Werkstatt und der Mund-Art Veranstaltungen. Der aus dem Schwabenland stammende Germanist und Historiker publiziert wissenschaftliche Aufsätze zu literarischen, historischen und musikalischen Themen. Zudem ist er Schulbuchautor und Verfasser fachdidaktischer Arbeiten, auch zur Mundartliteratur. 12 Jahre lang war er Mitglied der Hebelpreis-Jury. Für seine unermüdliche und erfolgreiche Tätigkeit auf diesen Gebieten erhielt er 2022 die „Heimat-Medaille Baden-Württemberg“. Er lebt mit seiner Familie in Schopfheim-Kürnberg.

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Veranstaltungsort
Kirche St. Agathe
Kirchplatz 1
79650 Schopfheim
Ortsteil/Stadtteil: Fahrnau
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Hinweise
  • Diese Veranstaltung findet bei jedem Wetter statt
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